Am 2. November 2023 ist Peter Jeske, der langjährige Vorsitzende der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen Minderheit „Pomerania“ in Köslin (Koszalin), im Alter von 78 Jahren gestorben. Seine alten Weggefährten erinnern sich an einen ruhigen und besonnenen Menschen mit dem Herz am rechten Fleck. Für die Anliegen seiner Pommeraner war ihm kein Weg zu weit und keine Herausforderung zu groß. Wir erinnern an einen Großen aus den Reihen der deutschen Minderheit in Polen.
Peter Jeske war nicht „nur“ der Gründer und Chef der „Pomerania“ in Köslin, sondern seit 2018 auch Vorstandsmitglied des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG). Dessen Vorsitzender Rafał Bartek ist über die Todesnachricht, die am Allerseelentag den Weg in den VdG-Sitz in Oppeln fand, bestürzt. „Der Tod von Peter Jeske ist ein herber Verlust für uns. Er gehörte zu den Urgesteinen der deutschen Minderheit. Als Delegierter des VdG und später auch als Vorstandsmitglied war er immer mit dem Herzen dabei und hat sich stets sehr engagiert in die Arbeit des Verbandes eingebracht“, so Bartek, der im Namen des VdG-Vorstands und auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VdG-Geschäftsstelle der Familie von Peter Jeske sein tiefes Beileid und Mitgefühl ausspricht.
Engagiert für die deutsche Minderheit – und ein Faible für Motorsport
Geboren wurde Peter Jeske kurz vor der letzten Kriegsweihnacht, am 22. Dezember 1944, in dem kleinen Örtchen Porst (Porost) in Westpommern, etwa 50 Kilometer südöstlich von Köslin, malerisch am Chlewo-See gelegen. Er wuchs in der Volksrepublik Polen auf, besuchte aber in den ersten sechs Schuljahren eine Schule, an der noch auf Deutsch unterrichtet wurde; erst ab der 7. Klasse ging er auf eine Schule mit polnischer Unterrichtssprache.
Nach dem Schulabschluss absolvierte Jeske die Berufsschule für Landwirtschaft in Bublitz (Bobolice), anschließend eine Fachschule für landwirtschaftliche Mechanisierung in Jastrow (Jastrowie). Während seines Berufslebens war er viele Jahre in Köslin tätig, unter anderem beim staatlichen Kraftverkehrsunternehmen PKS. 2004 ging er in den Ruhestand.
Für die deutsche Minderheit hat sich Peter Jeske aber schon seit 1988 engagiert. Nach der Wende, im Jahr 1992, gründete er in Köslin die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen Minderheit „Pomerania”, die allerdings erst 2007 offiziell registriert wurde und aktuell etwa 160 Mitglieder hat. Bis zuletzt fungierte Jeske als Vorsitzender der „Pomerania“.
Aus seiner deutschen Identität machte er auch in schwierigen Zeiten nie einen Hehl. „Ich bin ein Deutscher und werde ein Deutscher bleiben. Wenn ich mich nicht zu meiner Nationalität bekenne, würde das bedeuten, dass ich meine Eltern beleidige“, sagte er vor zwei Jahren – in Zusammenhang mit der damaligen Volkszählung in Polen – dem „Wochenblatt.pl“.
Neben dem Engagement für die deutsche Minderheit pflegte Peter Jeske zeitlebens aber auch seine große Leidenschaft für den Motorsport: Er war Mitglied im Polnischen Automobil- und Motorradverband und wurde zwei Mal Polnischer Vizemeister im Motocross in der 250er-Klasse.
„Ein geradliniger Mensch“
Bei seinen langjährigen Weggefährten war Peter Jeske beliebt und geschätzt, seine Arbeit hat nachhaltig beeindruckt. Umso größer ist nun die Lücke, die nach seinem Tod bleibt. „Er hinterlässt große Fußstapfen für den kommenden Nachfolger“, sagt in diesem Sinne auch sein VdG-Vorstandskollege Henryk Hoch, der Vorsitzende des Verbandes der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren (VdGEM). Hoch zeigt sich sehr dankbar für die jahrelange gute Zusammenarbeit zwischen den Organisationen der deutschen Minderheit in Pommern und Ermland-Masuren sowie im Vorstand des VdG. Und er erinnert sich an viele abendliche Gespräche in gemütlicher Atmosphäre, die er mit Peter Jeske bei zahlreichen Gelegenheiten führen konnte. „Er war eine ruhige und angenehme Person, immer fleißig in seinem Einsatz für seine Landsleute und harmonisch in der Zusammenarbeit mit den anderen Minderheiten und der polnischen Mehrheitsgesellschaft“, unterstreicht Henryk Hoch.
Den letztgenannten Aspekt, nämlich Peter Jeskes entschiedenes Eintreten für einen engen Austausch mit den anderen Minderheiten und der polnischen Mehrheitsgesellschaft, hebt auch Bernard Gaida, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) in der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN), hervor. Dieser Anspruch wurde auf verschiedene Art und Weise mit Leben gefüllt, zum Beispiel bei einem Treffen mit der jüdischen Gemeinde in Stettin zum Chanukka-Fest oder bei einem Festival für Grundschüler in Belgard (Białogard) zu deutsch- und englischsprachigen Liedern.
Jeskes Herzensprojekt war aber das jährliche Kulturtreffen im August auf dem Rathausplatz in Köslin, ein gemeinsames Fest der Deutschen, Ukrainer, Juden, Roma und Kaschuben aus der Region, das maßgeblich auch von der „Pomerania“ gestützt wurde und wird. Die Tanz- und Gesangseinlagen der jeweiligen Volksgruppen locken dabei regelmäßig mehr als 3.000 Besucher an. „Dank solcher Aktivitäten hat Peter Jeske auch die deutsche Minderheit, die in Nordpolen natürlich viel kleiner ist als in Oberschlesien, sichtbar gemacht. Das war sein Verdienst“, betont Bernard Gaida, der von 2009 bis 2022 VdG-Vorsitzender war.
Der AGDM-Sprecher fügt hinzu: „Ich habe Peter Jeske als geradlinigen Menschen kennengelernt, der immer gesagt hat, was ihm auf dem Herzen liegt. Er war ein im guten Sinne des Wortes ‚einfacher Mensch‘, mit dem man reden konnte und wollte. Er kannte den Schmerz und die Sorgen der Menschen aus den Reihen der deutschen Minderheit in Pommern – und hat immer versucht zu helfen.“
In seiner Heimatregion um Köslin sei Jeske deshalb eine sehr geschätzte Persönlichkeit gewesen. „Im Rahmen seiner Tätigkeit im VdG-Vorstand hat er dann auch den Anspruch gehabt, noch breiter zu wirken, also nicht nur in Mittelpommern, sondern bis nach Stettin, um auch dort die Probleme und Herausforderungen anzugehen. Er war einfach ein Mensch der Einheit und der Versöhnung“, so Gaida weiter.
Mehrfach ausgezeichnet
Als Gründer und Vorsitzender der organisierten deutschen Minderheit in Köslin hat Peter Jeske in seiner Heimatregion viel bewegt. Für seine weitreichenden Tätigkeiten und Verdienste wurde er deshalb unter anderem mit dem Silbernen Verdienstkreuz des Pommernzentrums in Travemünde geehrt. 2010 verlieh ihm auch der VdG seine Ehrennadel.
Als gute Gastgeber haben Peter Jeske und seine „Pomerania“ ebenfalls des Öfteren geglänzt, nicht zuletzt bei der Gala zum 30-jährigen Jubiläum des VdG, die am 2. Oktober 2021 in der Kösliner Philharmonie ausgerichtet wurde. „Ich war ein bisschen besorgt, dass die Philharmonie nicht voll sein wird, dass zu wenige Gäste kommen. Aber als ich dann den buchstäblich überfüllten Saal gesehen habe, habe ich verstanden, welch großen Einfluss Peter Jeske in seiner Umgebung hatte“, erzählt Bernard Gaida, der damals noch VdG-Vorsitzender war.
Dann verrät er noch einen weniger bekannten Aspekt aus dem Leben des Peter Jeske: „Er hat immerzu Kontakt gehalten zu den Pommeranern sowohl in Deutschland als auch in der weiten Welt, besonders zu jenen in Südamerika.“
Einer Gruppe von Pommeranern, die heute in Argentinien lebt, wollte Jeske eigentlich vor knapp drei Jahren einen Besuch abstatten, aber die Coronapandemie durchkreuzte diese Pläne – und ein Nachholtermin kam nicht mehr zustande. Dieses Projekt konnte Peter Jeske also nicht mehr zu Ende führen. Und trotz seiner nun angetretenen letzten Reise bleibt die Zuversicht, dass er seine geliebten Pommeraner wiedersehen wird, jenseits der Grenzen des irdischen Lebens.
Am Dienstag, den 7. November 2023, wurde Peter Jeske in seinem Wohnort Bublitz beigesetzt. Möge er in Frieden ruhen.
Lucas Netter
Mitarbeit: Uwe Hahnkamp