Koordinatorin Sybilla Dzumla im Interview mit Anna Durecka über 15 Jahre des Projekts „Begegnungsstättenarbeit – Kleinprojekte“
Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des Projekts Begegnungsstättenarbeit– Kleinprojekte fand Anfang Oktober ein Evaluationstreffen im Jugendzentrum statt. Was stand im Mittelpunkt der Diskussionen?
Wir blickten nicht nur auf das Jahr 2025, sondern auf die gesamten 15 Jahre zurück, denn das Projekt wurde im Sommer 2010 ins Leben gerufen. Wir trafen uns im Präsenzformat – die Projektbetreuerinnen und -betreuer aus der Oppelner und Schlesischen Region sowie aus anderen Gebieten, in denen die deutsche Minderheit lebt. Einerseits haben wir die Analyse des laufenden Jahres vorgenommen, andererseits auch einen Rückblick auf die gesamte Projektgeschichte: Was hat das Programm für die deutsche Minderheit bewirkt? Wie viele Projekte konnten umgesetzt werden? Und welchen Einfluss hatte es auf die Aktivität der DFKs?
„Eine Generation kennt das Leben ohne das Projekt gar nicht mehr“
Und was haben Sie bei dieser Rückschau festgestellt?
In den Evaluierungsgesprächen konnten wir feststellen, dass es mittlerweile eine ganze Generation innerhalb der deutschen Minderheit gibt, die das Leben ihrer Gemeinschaft ohne dieses Projekt gar nicht kennt. Wer in den letzten 15 Jahren aktiv wurde, ist mit dem Projekt groß geworden. Viele sagten, sie könnten sich die Aktivitäten der deutschen Minderheit ohne Begegnungsstättenarbeit gar nicht vorstellen.
Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des Projekts Begegnungsstättenarbeit- Kleinprojekte fand Anfang Oktober ein Evaluationstreffen im Jugendzentrum statt.Foto: Stefani Koprek-Golomb
Gab es auch andere Stimmen?
Ja, natürlich. Die kamen vor allem von jenen, die schon länger aktiv sind. Sie erinnerten an frühere Zeiten, in denen viele Kulturprojekte direkt über die deutschen Konsulate finanziert wurden. Diese Mittel sind in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Dafür steht uns aber seit geraumer Zeit ein stabiles Budget von rund 250.000 Euro jährlich für die Kleinprojekte zur Verfügung.
Wie hat sich das Projekt im Laufe der Jahre etabliert?
Es ist heute fester Bestandteil des Lebens der deutschen Minderheit. Es bereichert den Alltag, weil selbst die kleinsten DFKs unkompliziert – und mit Unterstützung erfahrener Projektbetreuer – Fördermittel beantragen können. So entstehen jedes Jahr Hunderte attraktiver Projekte für unsere Gemeinschaft.
„Die Unterstützung durch Projektbetreuer ist einzigartig“
Was unterscheidet dieses Projekt von anderen Förderprogrammen?
Das Einzigartige an diesem Projekt ist die intensive Begleitung durch Projektbetreuer. Es gibt in der deutschen Minderheit in ganz Polen kein anderes Programm, bei dem DFKs bei der Antragstellung, Abrechnung und Berichterstattung so umfassend unterstützt werden. Dass ist wichtig, weil sowohl Berichte als auch Abrechnungen komplett auf Deutsch erfolgen müssen. Viele Mitglieder beherrschen die Sprache nicht perfekt – die Unterstützung der Betreuer ist daher eine enorme Erleichterung. Sie helfen beim Ausfüllen der Anträge, bei der Abwicklung aller Formalitäten und stehen mit Rat und Tat zur Seite.
„Viele DFKs haben ihre Angst verloren“
Hat das Projekt auch Vereine aktiviert, die früher kaum etwas gemacht haben?
Absolut. Viele DFKs, die in der Vergangenheit passiv waren, konnten durch das Projekt und die Unterstützung der Betreuer ihre Hemmungen überwinden. Zuerst nahmen sie vielleicht nur als Teilnehmende an Projekten anderer DFKs teil, später organisierten sie eigene Veranstaltungen.
Sybilla Dzumla, Koordinatorin des Projekts Begegnungsstättenarbeit- Kleinprojekte.Foto: Stefani Koprek-Golomb
Ein gutes Beispiel ist der DFK Owschütz im Kreis Ratibor. Noch vor zehn Jahren war die Organisation kaum aktiv, heute ist er sehr engagiert und organisiert regelmäßig kleine Projekte – oft auch eigenständig. Es gibt sogar DFKs, die nach ersten Erfahrungen mit den Kleinprojekten nun Veranstaltungen völlig selbstständig und ohne Förderung durchführen.
„Das Projekt hat einen Generationenwechsel gefördert“
Hat sich das Projekt unterschiedlich stark in den Regionen ausgewirkt?
Ja. Die stärkste positive Entwicklung sehen wir eindeutig in den beiden südlichen Regionen – Oppeln und Schlesien. Besonders in der Oppelner Region hat dank dem Projekt ein Generationenwechsel stattgefunden. Das Projekt war nicht der einzige Grund, aber es hat diesen Prozess entscheidend unterstützt und gefördert.
Und im Norden?
Im Norden ist der Wandel weniger sichtbar, aber auch dort wäre die Situation ohne das Projekt sicher eine andere. Man darf nicht vergessen: In diesen 15 Jahren wurden allein im Norden über 1000 Kleinprojekte umgesetzt. Ohne sie gäbe es wahrscheinlich heute deutlich weniger aktive Gruppen.
„Von Anfang an landesweit organisiert“
War das Projekt von Beginn an auf ganz Polen ausgerichtet?
Ja, von Anfang an. 2010 starteten wir landesweit mit vier Regionen. Die nördliche Region – Ermland, Masuren und Pommern – war zunächst separat, ebenso wie die Region Niederschlesien, Leubus und Westpommern. In den beiden Regionen enstanden zu wenige Projekte, um zwei Regionalkoordinatoren zu finanzieren. Schon nach einem Jahr oder so wurden die Regionen also zusammengeführt – zur großen Region „Nord und West“. Seitdem gibt es drei aktive Koordinationsbereiche: Oppeln, Schlesien und Nord-West.
„Bis heute fast 9.000 Projekte“
Wie hat sich die Zahl der Projekte über die Jahre entwickelt?
Im ersten Jahr – 2010 – starteten wir im Rahmen des Pilotprojekts mit 255 Projekten. Danach wuchs die Zahl stark. Ein Rekordjahr war 2021, das erste Jahr nach der Pandemie – die Menschen wollten nach der langen Isolation wieder aktiv werden. Damals erreichten wir 713 Projekte.
Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des Projekts Begegnungsstättenarbeit- Kleinprojekte fand Anfang Oktober ein Evaluationstreffen im Jugendzentrum statt.Foto: Stefani Koprek-Golomb
Wie sieht der Durchschnitt aus?
Im Schnitt realisieren wir zwischen 600 und 670 Projekte pro Jahr. Natürlich hängt das auch vom verfügbaren Budget ab. In Jahren nach Bundestagswahlen in Deutschland arbeiten wir oft mit einem vorläufigen Haushalt, was bedeutet, dass die Mittel erst in der zweiten Jahreshälfte fließen. Dann ist es schwer, alles nachzuholen.
Und wo stehen Sie heute, im Jubiläumsjahr 2025?
Bis Ende 2024 konnten wir fast 8.500 Projekte umsetzen. Und schon jetzt – im Oktober 2025 – sind es über 600 neue Anträge. Wir schließen bald die Antragstellung ab, aber ich bin sicher, dass wir in diesem Jubiläumsjahr die symbolische Grenze von 9.000 Kleinprojekten überschreiten werden.
„Ein Projekt, das das Leben der deutschen Minderheit verändert hat“
Was bedeutet dieses Projekt nach 15 Jahren für die deutsche Minderheit?
Es ist viel mehr als ein Förderprogramm. Begegnungsstättenarbeit ist ein lebendiges Netzwerk, das Menschen verbindet, Engagement stärkt und Gemeinschaft schafft. Viele Freundschaften, Initiativen und Ideen wären ohne dieses Projekt nie entstanden. Oder, wie es eine Teilnehmerin bei der Evaluation sagte: „Wir können uns das Leben der deutschen Minderheit ohne dieses Projekt gar nicht mehr vorstellen.“










