Am 25. November fand im Oberschlesischen Eichendorff-Kultur- und Begegnungszentrum in Lubowitz die Jahres- und Wahlversammlung des Deutschen Freundschaftskreises im Bezirk Schlesien statt. Der DFK-Vorsitzende Martin Lippa wurde dabei von den Delegierten in seinem Amt bestätigt – und beklagte sich in deutlichen Worten über die bürokratischen Hürden bei der Projektförderung seitens der Geldgeber in Deutschland.
Während am Samstagvormittag vergangener Woche unangenehmer Schneeregen die Ruine des Schlosses in Lubowitz umwehte, füllte sich der behaglich beheizte Veranstaltungssaal des Oberschlesischen Eichendorff-Kultur- und Begegnungszentrums nach und nach mit den Delegierten der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen in der Woiwodschaft Schlesien. Aus der ganzen Region waren die Frauen und Männer in den Geburtsort des deutschen Dichters Joseph von Eichendorff (1788–1857) gekommen – aus Kattowitz, Gleiwitz, Rybnik, Loslau, Tichau, Hindenburg, Beuthen oder Bielitz-Biala. Und natürlich aus Ratibor, wo sich der Sitz des DFK im Bezirk Schlesien befindet. Dessen Vorsitzender, Martin Lippa, der sich bei der Jahreshauptversammlung zur Wiederwahl stellte, eröffnete die Sitzung sodann mit etwa 20-minütiger Verspätung und hielt eine kurze Begrüßungsansprache.
Neben den Delegierten nahmen auch einige geladene Gäste an dem Treffen teil, darunter die Sejm-Abgeordnete Gabriela Lenartowicz, der neu gewählte Senator der Republik Polen, Henryk Siedlaczek, sowie Łukasz Jastrzembski, Bürgermeister der Gemeinde Leschnitz und Vizevorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG).
Ein bekanntes Gesicht allerdings fehlte, nämlich jenes von Rafał Bartek. Aus privaten Gründen konnte der VdG-Chef nicht bei der Zusammenkunft dabei sein; er hatte im Vorfeld jedoch ein Grußwort übermittelt, das von Łukasz Jastrzembski verlesen wurde. Darin würdigte Bartek den DFK Schlesien als wichtigen Bestandteil des Verbandes deutscher Gesellschaften und wünschte dessen Mitgliedern für die Zukunft den Mut, neue Wege zu beschreiten. „Persönlich würde ich mich freuen, wenn nach den Gründungen von Vereinsschulen und Kindergärten in der Woiwodschaft Oppeln in diesem Jahr auch in der Woiwodschaft Schlesien solche Initiativen entstehen würden“, schrieb er. „Diese Projekte sind sicherlich nicht einfach, aber die Lebendigkeit dieser Einrichtungen zeigt, dass es genau der richtige Weg für die Zukunft unserer deutschen Gemeinschaft ist. Die deutsche Kultur und Sprache in Oberschlesien haben nämlich nur dann eine Zukunft, wenn sie Tag für Tag an die nächsten Generationen weitergegeben werden – und dabei spielen Sie eine entscheidende Rolle“, schloss Bartek sein Schreiben.
„So geht es nicht weiter“
Im Mittelpunkt der Delegiertenversammlung standen aber weniger konkrete Projektvorhaben, sondern die Wahl des DFK-Vorsitzenden sowie einiger Vorstandsmitglieder. Vor der Abstimmung sah das Sitzungsprogramm allerdings noch die Zusammenfassung der Amtszeit des Bezirksvorstandes vor. So lag es an Martin Lippa, über die Tätigkeiten des DFK Schlesien in den vergangenen vier Jahren zu berichten.
„Die letzte Legislaturperiode war so ungewöhnlich und schwierig wie keine zuvor“, sagte er mit Blick auf die Herausforderungen, die sich durch die Coronapandemie, den Krieg in der Ukraine und die anhaltende Diskriminierung der Kinder aus den Reihen der deutschen Minderheit ergeben haben. Trotz dieser „enormen Schwierigkeiten“ habe man durchgehalten – „was viele nicht geglaubt haben“, so Lippa. Natürlich habe es DFK-Gruppen gegeben, die ihre Tätigkeit eingestellt hätten, „aber an ihrer Stelle haben sich auch neue Gruppen gebildet“, führte er aus. „Wir haben viele neue, auch junge Vorsitzende der DFK-Gruppen gewonnen. Und das ist ermutigend. Die DFK-Gruppe ist die wichtigste Struktur unseres Verbandes – und das sollten wir nicht vergessen.“
Neben diesen zuversichtlichen Tönen benannte Martin Lippa aber auch dringliche Probleme im Tagesgeschäft des DFK Schlesien – und wurde deutlich: „Das Schlimmste, womit wir uns in letzter Zeit auseinandersetzen mussten, ist der Weggang unserer Buchhalterin. Und dies ist leider kein zufälliger Abgang. Es ist das Ergebnis des Unverständnisses der Beamten in Deutschland, denn wir bekommen hauptsächlich Gelder aus Deutschland. Diese Beamten begreifen nicht, dass die Löhne in Polen schneller steigen als in Deutschland“, klagte Lippa angesichts der aus seiner Sicht immer noch vergleichsweise geringen Vergütung seiner Angestellten und dem Ausbleiben angemessener Lohnerhöhungen.
Auch ein anderes Ärgernis thematisierte der DFK-Bezirksvorstandsvorsitzende: „Die letzten beiden Jahre waren sehr kompliziert, was die Beantragung von Fördermitteln angeht. Viele Projekte, auf die wir seit vielen Jahren stolz waren, erwiesen sich auf einmal als nicht förderfähig.“
Martin Lippa sieht drei Gründe für diese Entwicklung: „Erstens hat sich in diesem Jahr die Organisation geändert, die die Förderung für die deutschen Minderheiten verwaltet (dies ist nunmehr die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland, Anm. d. Red.). Zweitens haben wir einen neuen Deutschen Konsul in Oppeln, der die Dinge anders sieht als früher. Und drittens hat die Zahl der deutschen Beamten, die unsere Anträge prüfen, deutlich zugenommen – und es wurden Regeln eingeführt, die manchmal unverständlich und realitätsfern sind.“
Natürlich sehe man „diese Fehlentscheidungen“ und weise darauf hin, aber dies sei ein „sehr mühsamer Prozess“, hob Lippa hervor. „Und das Schlimmste ist, dass von uns erwartet wird, dass wir Anträge und Abklärungen über Nacht ausfüllen – und dann liegen diese korrigierten Anträge wochen- oder sogar monatelang irgendwo herum, und niemand weiß, was mit ihnen geschieht.“
Lippa echauffierte sich zum Beispiel über den bürokratischen Aufwand, der mit der Anschaffung einfacher Ausstattungsgegenstände verbunden sei. „Das muss sich so schnell wie möglich ändern, denn so geht es nicht weiter“, sagte er – und fügte hinzu: „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um diese Probleme für die Zukunft zu lösen.“
DFK-Vorsitzender in der vierten Kadenz
Nach dieser unverhohlenen Kritik an den Fördermittelgebern ging es bei der anschließenden Wahl zum DFK-Vorsitz wieder deutlich konventioneller zu. Die Abstimmung unter den Delegierten hielt aber ohnehin keine Überraschung bereit, denn ein Gegenkandidat hatte sich nicht aufstellen lassen. Und so wurde Martin Lippa – bei keiner Gegenstimme und zwei Enthaltungen – auch für die kommende Amtsperiode (2023 bis 2027) zum Vorsitzenden des DFK im Bezirk Schlesien gewählt. Er tritt damit seine vierte Kadenz an. Nach der Wahl zeigte er sich zufrieden: „Das freut mich sehr. Es bedeutet, dass wir in der letzten Wahlperiode richtig gehandelt haben“, erklärte er im Namen des ganzen DFK-Vorstands.
Neben dem DFK-Vorsitzenden wurden auch neun Vorstandsmitglieder gewählt; der Vorstand des DFK Schlesien besteht somit aus insgesamt 19 Personen (siehe Information am Ende des Textes).
Zum Ende der etwa dreieinhalbstündigen Sitzung gab es eine Diskussion, bei der einige Delegierte das Wort ergriffen und relevante Themen ansprachen, darunter die kürzlichen Parlamentswahlen und die im kommenden Jahr anstehenden Kommunalwahlen. Einer der Diskutanten war Łukasz Giertler, der Vorsitzende der DFK-Ortsgruppe in Bielitz-Biala. Er plädierte in seinem Redebeitrag dafür, die deutsche Minderheit zu öffnen beziehungsweise breiter aufzustellen. „Die Volkszählung hat gezeigt, dass sich in unserer Region viele Menschen eher als Schlesier identifizieren und weniger als Deutsche. Deshalb müssen wir mit den Regionalisten und auch mit den anderen Minderheiten viel enger zusammenarbeiten. Das hat in der Woiwodschaft Oppeln bei den Parlamentswahlen gefehlt: Wir haben als deutsche Minderheit nur für die deutsche Minderheit gesprochen. Aber wir müssen auch für andere Minderheiten sprechen. Nur gemeinsam haben wir eine starke Stimme, die etwas bewirken kann“, so Łukasz Giertler.
Als Letzter ergriff nochmals Martin Lippa das Wort; er dankte den Delegierten für das Vertrauen in seine Arbeit und schloss die Versammlung mit den Worten: „Sie wissen, was von mir zu erwarten ist. Ich habe immer für alle gesorgt, nicht nur für die großen DFK-Kreise, sondern vor allem auch für die kleinen. Und ich versichere Ihnen, dass ich das auch nicht ändern werde. Mir liegen Sie alle am Herzen.“
Lucas Netter
Der Vorstand des DFK im Bezirk Schlesien
Vorsitzender: Martin Lippa
Vorstandsmitglieder: Piotr Daniel, Tomasz Daschek, Bronisław Da-Via, Agnieszka Dłociok, Andrzej von Dramsky, Lucyna Duda, Dorota Gorgosch, Maria Gruca, Teresa Kionczyk, Oskar Mandla, Roman Marcol, Eugeniusz Nagel, Sylwia Niemiec, Mieczysław Roseger, Lucjan Ryszka, Julia Stobrawa, Waldemar Świerczek, Marek Tylikowski