Das ifa – Institut für Auslandsbeziehungen unterstützt mit seinem Entsendeprogramm Organisationen der deutschen Minderheiten in den Ländern des östlichen Europas und Zentralasien durch den Einsatz von Kulturmanagerinnen und -managern sowie Redakteurinnen und Redakteuren. Mit ihrem Fachwissen begleiten sie nicht nur Projekte, sondern unterstützen auch dabei, ein aktuelles Deutschland- und Europabild zu fördern sowie die kulturelle Vermittlerrolle der Organisationen zu stärken. Wir sprechen mit einigen Entsandten über ihre Aufgaben, Ziele und Beweggründe für diese interkulturelle Tätigkeit. Den Anfang macht Miriam Mähner in Oppeln.
Miriam, du arbeitest für das ifa -Institut für Auslandsbeziehungen. Worin bestehen denn die Bereiche und Aufgaben des Instituts?
Das ifa arbeitet in vielen verschiedenen Bereichen. Es ist eine Mittlerorganisation des Auswärtigen Amtes, was bedeutet, dass es für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zuständig ist. In Deutschland wird die aber in Hinblick auf die Vergangenheit des Landes nicht staatlich zentriert betrieben, sondern durch Mittlerorganisationen, die unabhängig agieren können. Beim ifa liegt der Fokus auf den Bereichen Kunst, Forschung und Zivilgesellschaft, unter letzteres fällt dann auch die Förderung der deutschen Minderheiten im Ausland.
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Es gibt aber ebenso Programme zur Unterstützung und zum Schutz von Menschenrechtsaktivist:innen, Wissenschaftler:innen und Künstler:innen in Bedrohungssituationen, eine große Bibliothek zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und die Kunstsammlung. Außerdem gestaltet das ifa den Deutschen Pavillon auf der Kunst-Biennale in Venedig, die Handlungsfelder sind also sehr vielfältig.
Du bist ja hier in Oppeln aktiv. In welchen anderen Ländern befinden sich Mitarbeiter des Instituts, ähnlich wie du? Und haben diese die gleichen Aufgabenfelder?
Die meisten Angestellten des ifa sind in den beiden Standorten in Stuttgart und Berlin beschäftigt. Im Ausland arbeiten nur die Mitarbeitenden des Entsendeprogramms. Das Programm unterstützt lokal ansässige Organisationen der deutschen Minderheit in ihrer Arbeit und bringt ihnen neue Impulse und Ideen. Abgesehen von Polen habe ich noch Kolleg:innen in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Serbien und Kasachstan. Allen Ländern gemein ist, dass die deutschen Minderheiten dort historisch gewachsen sind und es eine lange gemeinsame Geschichte mit Deutschland gibt, die auch nicht immer einfach war.
Das ifa entsendet Kulturmanager:innen und Redakteur:innen aus Deutschland, die sich je nach Einsatzort mit Kultur-, Jugend- und Bildungs- oder mit Medienarbeit beschäftigen. Ich selbst etwa arbeite beim BJDM (Bund der Jugend der Deutschen Minderheit) und bin damit in der Jugendarbeit aktiv. Unsere konkreten Aufgaben sind dementsprechend aber natürlich sehr unterschiedlich und auch von den Gegebenheiten vor Ort abhängig.
Stehst du denn auch in Verbindung mit deinen Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern?
Wir tauschen uns untereinander aus, natürlich. Wir haben zum Beispiel eine eigene Chatgruppe, in der wir Fragen stellen und uns gegenseitig unterstützen können. Obwohl sich unsere Aufgabenbereiche unterscheiden, teilen wir natürlich die gemeinsame Erfahrung, für unsere Arbeit ins Ausland umgezogen zu sein, was ja auch mit ganz eigenen Herausforderungen einhergeht. Die deutschen Minderheiten stehen in den meisten Ländern vor ähnlichen Aufgaben, etwa der Frage, wie man junge Menschen für den Erhalt der Kultur begeistern kann. Da ist es natürlich sehr hilfreich, diesen Erfahrungsaustausch untereinander zu haben. Leider treffen wir uns selten persönlich. Das ist schade, weil wir uns alle gut verstehen. Aber es ist natürlich auch verständlich, da wir ja so weit voneinander entfernt arbeiten.
„Im BJDM steht Zusammenarbeit an erster Stelle – ohne ein starkes Team läuft nichts.“
Einmal im Jahr organisiert das ifa ein Einführungsseminar für alle in Berlin, da beginnt dann immer offiziell das neue Entsendejahr. Wir haben tolle Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen und auch Gespräche im politischen Kontext zu führen, in denen wir die Wichtigkeit des Programms verdeutlichen können. Letztes Jahr haben wir sogar die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock getroffen! Zusätzlich sehen wir uns im Frühjahr im kleineren Rahmen bei der Regionalwoche in einem der Entsendeländer. Diese Treffen empfinde ich immer als sehr produktiv zumal dabei auch schon einige neue Ideen für Projekte entstanden sind.
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Worin bestehen deine Aufgaben beim BJDM?
Ich bin für Projekte zuständig. Das heißt, ich kann mir von Grund auf eigene Ideen überlegen und diese dann von Anfang bis Ende begleiten. Dazu gehören neben der Planung und Ideenentwicklung auch die Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten und dann natürlich die Durchführung und Abrechnung. Dass man dieses Level an Freiheiten hat, ist wirklich super. Ich helfe aber auch bei bestehenden Projekten. Letztes Jahr zum Beispiel habe ich im BJDM die Organisation des internationalen Sommercamps für Jugendliche der deutschen Minderheiten aus elf Ländern übernommen. Das ist ein wirklich tolles Projekt, das schon zum zehnten Mal stattgefunden hat! Natürlich habe ich das nicht allein geschafft, nichts klappt ohne ein starkes Team. Zum Glück wird beim BJDM großer Wert auf Zusammenarbeit gelegt, das Miteinander im Büro ist wirklich super. Alle haben zwar ihre eigenen Projekte, für die sie hauptverantwortlich sind, aber wenn es drauf ankommt, Probleme auftreten oder helfende Hände gebraucht werden, sind die anderen immer da. Dass die Arbeit, die man macht, auch angenommen wird, merkt man dann am positiven Feedback der Jugendlichen. Denen macht es ebenso viel Spaß wie uns.
Wie kam es, dass du dich für die Arbeit beim ifa und speziell in Polen entschieden hast?
Puh, da muss ich etwas ausholen, das ist eine längere Geschichte (lacht). Angefangen hat es in der Zeit der Pandemie. Damals habe ich im Bachelor Geschichte in Freiburg im Breisgau studiert und hatte mit Polen noch gar nichts zu tun. Weil ich mich im ersten Lockdown ziemlich gelangweilt habe, habe ich spontan beschlossen, Polnisch zu lernen. Vorher hatte ich schon Französisch und Spanisch in der Schule, jetzt wollte ich mal eine nicht-romanische Sprache ausprobieren. Das war allerdings eine ziemliche Herausforderung – und ist es bis heute. Seitdem hege ich aber eine große Liebe und Faszination für dieses Land und seine Geschichte. Für meinen Master kam mir das später zugute. Ich hatte eher zufällig den Studiengang Ost-West-Studien in Regensburg entdeckt. Mich dafür zu entscheiden, war nur durch meine Sprachkenntnisse in einer osteuropäischen Sprache möglich. Im Rahmen des Studiums habe ich dann auch ein zweimonatiges Praktikum am Deutschen Historischen Institut in Warschau gemacht. Als ich schließlich die Ausschreibung vom ifa gesehen habe, war das fast Schicksal. Dort habe ich im Januar 2024 angefangen, seitdem bin ich nun hier.
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Viele Deutsche haben enge oder entfernte Verwandtschaften, die schlesische Wurzeln besitzen. Gab es in deiner Familie bereits Verbindungen zur Region Schlesien, bevor du nach Oppeln gezogen bist?
Ich wusste, dass mein Großvater mit seiner Familie aus dem Egerland im heutigen Tschechien geflohen ist, hatte aber meines Wissens keine derartige Verbindung nach Polen. Erst als ich schon hier in Oppeln war, habe ich erfahren, dass doch zwei Verwandte von mir aus der schlesisch-tschechischen Grenzregion stammten. Darüber wurde in meiner Familie aber kaum gesprochen, vielleicht auch, weil damals alle noch Kinder waren.
Wie erlebst du die deutsch-polnischen Beziehungen in deinem Arbeitsalltag, und welche Rolle spielt deine Arbeit dabei, diese weiter zu stärken?
Polen und Deutschland haben eine lange und komplexe, oft traumatische gemeinsame Geschichte. Ich bin froh, dass die Beziehungen zwischen den Ländern sich in den letzten Jahren wieder verbessert haben, es ist aber weiterhin viel Versöhnungsarbeit nötig. Gute Nachbarschaft entsteht nicht einfach so. Es herrscht zum Beispiel ein deutliches Ungleichgewicht, was das Interesse am jeweils anderen Land angeht, hier muss Deutschland aus meiner Sicht einiges aufholen. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich dabei mithelfen kann, die freundschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu stärken.
Und wie gefällt es dir hier?
Polen ist ein fantastisches Land. Die Menschen, das Essen, die Landschaften. – Ich bin hier sehr warmherzig aufgenommen worden und fühle mich in Oppeln sehr wohl. Ich habe auch schon einige meiner Freunde und Familie überzeugt, endlich mal Urlaub in Polen zu machen – und sie waren begeistert! Das Einzige, was mir und meinem bayrischen Herzen fehlt, ist, dass es hier kein Spezi zu kaufen gibt. Die muss mir immer jemand aus Deutschland mitbringen (lacht). Ich bin wirklich froh, dass ich durch das ifa-Entsendeprogramm die Gelegenheit habe, in Polen und beim BJDM zu arbeiten. Das kann ich nur weiterempfehlen.
Hast du einen Lieblingsort in Oppeln?
Oh, da gibt es mehrere! Aber wenn ich nur einen nennen soll, dann ist es wohl ein besonderer Moment, den ich häufig auf dem Heimweg von der Arbeit erleben darf: Ich fahre immer mit dem Fahrrad über die Zaodrzański-Brücke. Im Herbst und Winter geht oft genau dann die Sonne unter. Die Sonnenuntergänge hier in Oppeln sind sowieso mit die schönsten, die ich je gesehen habe. Und dann dieser Blick über die Oder und die Sonne, die hinter den Plattenbauten verschwindet und den ganzen Himmel bunt färbt – klingt vielleicht kitschig, aber ich bleibe regelmäßig stehen, um das zu genießen. Das ist wirklich einmalig!
Der Text entstand in Zusammenarbeit von Miriam Mähner,
Jonathan Lembrecht
und Victoria Matuschek.