Grenzen überschreiten, Geschichte erleben: Deutschsprachiger Jugendaustausch bringt Polen und Litauen zusammen
Was bedeutet Erinnerungskultur für Jugendliche heute – und warum ist sie auch 80 Jahre nach dem Kriegsende noch relevant? Mit diesen Fragen beschäftigten sich 14 junge Menschen der deutschen Minderheiten aus Polen und Litauen beim Austauschprojekt „Erinnerung erleben“ vom 2. bis 7. Juli in Allenstein.

Foto: Miriam Mähner
Erinnern, austauschen, verstehen
Im Mittelpunkt stand, die Teilnehmenden für die Bedeutung von Erinnerungskultur zu begeistern und ihnen zu zeigen, wie Geschichte die Gegenwart prägt. Die Jugendlichen diskutierten, warum Erinnern wichtig bleibt, wie digitale Formen der Erinnerungskultur aussehen können und wie sie sich selbst einbringen können. Ein zentrales Ziel war außerdem, die deutsche Sprache als verbindendes Element zu stärken und gemeinsam zu verbessern.

Foto: Miriam Mähner
Orte der Geschichte begreifen
Eine Woche lang tauchten die Teilnehmenden in die bewegte Vergangenheit der Region ein. Auf Stadttouren durch Allenstein und beim Besuch der Wolfschanze, die als Hitlers „Führerhauptquartier“ traurige Berühmtheit erlangte, erlebten sie, wie greifbar europäische Geschichte in regionalen Erinnerungsorten wird.
Gemeinsam erinnern, gemeinsam wachsen – Jugendliche aus Polen und Litauen entdecken Geschichte und Sprache neu.
Das intensive Programm umfasste verschiedene Workshops, Stadttouren durch Allenstein und Besuche historisch bedeutender Orte. Besonders eindrücklich war der Rundgang durch Kortau – das Gelände der ehemaligen NS-Psychiatrie, das heute Teil des Universitätscampus ist. Die Geschichte dieses Ortes – einst eine Vorzeigeeinrichtung – ist eng mit den Verbrechen der NS-Zeit verknüpft: Zwangssterilisationen, medizinische Experimente und die Ermordung von Patient:innen. Nach dem Krieg geriet Kortau lange in Vergessenheit. Erst durch das Engagement von Studierenden wurde mit einer kleinen Gedenktafel ein Ort des Erinnerns geschaffen – ein stiller Hinweis auf die verdrängte Vergangenheit, die im heutigen Stadtbild kaum sichtbar ist.

Foto: Zofia Czerwińska
Erinnerung kreativ vermitteln
Neben inhaltlichen Einheiten gab es auch praktische Workshops, etwa zur Produktion von Social-Media-Reels, sowie einen Online-Workshop mit Lilja Girgensohn von Arolsen Archives, die digitale Erinnerungskultur vermittelte. Die Jugendlichen erstellten eigene Beiträge für den ifa-Account „Mind_Netz“ und setzten sich kreativ mit dem Thema auseinander.
Die Rückmeldungen fielen durchweg positiv aus: Die Jugendlichen zeigten großes Interesse am Programm und betonten, wie viel sie daraus für sich mitnehmen konnten. Auch die begleitende Lehrerin aus Litauen lobte die intensive Auseinandersetzung mit Geschichte und Sprache.

Foto: Miriam Mähner
Das Projekt wurde von Miriam Mähner, ifa-Kulturmanagerin beim Bund der Jugend der Deutschen Minderheit (BJDM), in Kooperation mit Chantal Stannik, ifa-Kulturmanagerin beim Verband der Deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren (VDGM), dem Simon-Dach-Haus und dem Hermann-Sudermann-Gymnasium in Klaipėda, Litauen, organisiert. Die finanzielle Förderung erfolgte durch das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und das Bundesministerium des Innern (BMI).